Es ist bereits einige Jahre her, dass die Kanadierin Jodie Wallace Referentin beim RGT in Gießen war, aber ihr Thema ist weiterhin aktuell und wichtig. Kälber stehen gefühlt derzeit etwas mehr im Fokus der Wissenschaft und der Fachpresse, aber vor allem in den Betrieben muss der Fokus mehr auf die Kälber gerichtet werden, denn sie sind die Zukunft der Milchviehherde und bestimmen das spätere Leistungsvermögen erheblich.
Kälber sauber, warm und trocken zu halten ist wichtig, um ihre Gesundheit und Produktivität zu erhalten. Wie trocknet man ein Kalb, wie macht man es sauber? Es ist ein natürlicher Instinkt der Kuh, das Kalb sauber zu lecken. Das hilft die „Lebensgeister“ des Kalbes zu stimulieren und das Fell zu reinigen. Und dann? Es gibt mehrere Hilfsmittel für ein gutes Kälbergesundheitsmanagementprogramm in den ersten 24 Stunden: Kuschelbox, Transporter, Inkubator und Kälberdecken
Die Kuschelbox
Die Idee stammt aus den Niederlanden und ist so einfach wie sinnvoll: das Kalb wird direkt nach der Geburt in eine Box gelegt. Das Kalb kommt also direkt nach der Geburt in einen sicheren, sauberen und zugfreien Raum, der so angeordnet ist, dass das Muttertier das Kalb leicht ablecken und reinigen kann. Dies schützt nicht nur das Kalb, sondern es reduziert auch die Ausbreitung von ansteckenden Krankheiten wie ParaTB. In der Praxis gibt es verschiedene Versionen der Kuschelbox, sie können stationär oder mobil sein und am Fressgitter befestigt werden – immer ist das Kalb dort sicher, während seine Mutter es sauber leckt. Während die Kuh mit dem Kalb beschäftigt ist, ist dies die optimale Zeit, um Kolostrum zu melken.
Das Foto zeigt die Kuschelbox der Silverstream Holsteins Hier kann die Kuh gleichzeitig fressen und ihr Kalb lecken. Da die Kuh sofort gemolken wird, kann das Kalb auch noch in der Kuschelbox mit dem ersten Kolostrum versorgt werden. Sobald das Kalb sauber geleckt ist, werden die Seiten hochgezogen und der Wagen mit dem Kalb wird in den Kälberstall geschoben. Dort wird das Kalb zum Abtrocknen in den Trockenraum (Inkubator) gebracht (28°C)., in dem das Kalb aber nur so langbleibt, bis das Fell getrocknet ist. Im Winter, bei kühleren Temperaturen, wird das Kalb im Inkubatorraum mit Kolostrum gefüttert. Selbstverständlich werden männliche und weibliche Kälber gleich gut versorgt und behandelt.
Kälbertransport
Der Transport der Kälbern vom Abkalbebereich zum Kälberbereich ist ein Schritt, der oft übersehen wird. Kälber müssen auf hygienische und stressfreie Weise transportiert werden. Dazu gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten: Kälberkarren, Schubkarre, Kälberboxen, die per Palettengabel mit dem Hoftrac oder Schlepper transportiert werden oder sogar alte Lieferwagen/Golfcarts, aufgeschnittene Reifen an einer Sackkarre…. Für jeden Betrieb wird es eine geeignete Transportmöglichkeit geben, aber es muss immer darauf geachtet werden, den Kälbertransporter sauber und desinfiziert zu halten, um das Risiko für das Kalb zu minimieren.
Trockenboxen (Inkubator)
Solche Trockenräume/Boxen sind ein weiteres Hilfsmittel, um das Kalb schnell aufzuwärmen und zu trocknen. Ein trockenes Haarkleid schließt die Luft ein und bilden eine natürliche Isolierung, um dem Kalb einen guten Start zu ermöglichen. Inkubatoren können im Handel gekauft oder selbst gebaut werden. Wer sich zunächst an einen „Trockenraum“ gewöhnen möchte, kann übergangsweise mit einer „Strohburg“ mit Wärmelampe arbeiten.
Kälberdecken
Wann brauchen Kälber eine Decke? Die tatsächliche Temperatur des Kalbes hängt von mehreren Faktoren wie Windgeschwindigkeit, relative Luftfeuchtigkeit, Haarkleid, Sonnenlicht, Einstreu und Wiederkauen ab. Eine gute Faustregel ist: unter 10°C werden die Kälber mit einer Decke geschützt. Kälber brauchen mehr Erhaltungsenergie, wenn die Temperatur sinkt. Wenn die zusätzliche Energie nicht zugeführt wird, werden eigene Fettreserven genutzt. Neugeborene haben aber nur geringe braune Fettreserven (1 % bis 3 % des Körpergewichts bei einem 45-Kilogramm-Kalb), was eine schnelle Energiequelle ist, die dazu dient, Kälber warm zu halten. Sobald die Fettreserven aufgebraucht sind, beginnt das Kalb, Muskeln zur Energie- und Wärmeproduktion abzubauen. Hinzu kommt, dass kältegestresste Kälber Energie von der Verdauung abziehen. Infolgedessen kommt es zu einer verringerten Flüssigkeitsaufnahme und weniger Energie für das Wachstum, was zu verringerten täglichen Gewichtszunahmen führt. Die Kälber verlieren an Gewicht, haben ein geschwächtes Immunsystem und sie sind anfälliger für Durchfall und Lungenentzündung.
Kälberdecken sind ein hervorragendes Hilfsmittel bei Kälte, die aber von weitere Faktoren begleitet werden müssen: Einstreu, Belüftung und eine erhöhte Energieversorgung! Kälber müssen immer trocken und weich im (und nicht auf!) Stroh liegen, um sie warm und trocken zu halten. Kälber verlieren Wärme durch Konduktion, d.h. die Wärme wird durch die Einstreu nach unten abgeleitet. Kalter Beton, Schotter und Sand erhöhen die Wäremverluste. Die beste Einstreu für Kälber draußen in Hütten sind Sägespäne, die mit Stroh abgedeckt werden. Kälber liegen viel - neugeborene Kälber verbringen ca. 80 % ihrer Zeit im Liegen, 6 Wochen alte Kälber noch 75 %. Das bedeutet bis zu 19 Stunden Liegezeit pro Tag.
Nesting Score: Kälber sollen sich im Stroh „vergraben“ können, um den Wärmehaushalt aufrechtzuerhalten. Eine Kälberdecke entspricht in der Wirkung einem Punkt im Nesting Score. Eine Kälberdecke schützt das Kalb nicht vor Zugluft, darum ist trotz allem eine gute Belüftung, mit Windgeschwindigkeiten um 0,2 m/sec im Aufenthaltsbereich der Kälber erforderlich.
(nach Jodie Wallace, Juli 2021)